Wolkengebilde
90x60, Foto auf gebürstetem Aluminium
STRATUS
Wenn von dem stillen Wasserspiegelplan
Ein Nebel bebt den flachen Teppich an,
Der Mond, dem Wallen des Erscheins vereint,
Als ein Gespenst Gespenster bildend scheint,
Dann sind wir alle, das gestehn wir nur, Erquickt', erfreute Kinder, o Natur!
Dann hebt sich's wohl am Berge, sammelnd breit
An Streife Streifen, so umdüstert's weit
Die Mittelhöhe, beidem gleich geneigt,
Ob's fallend wässert oder luftig steigt.
CUMULUS
Und wenn darauf zu höhrer Atmosphäre
Der tüchtige Gehalt berufen wäre,
Steht Wolke hoch, zum herrlichsten geballt, Verkündet, festgebildet, Machtgewalt
Und, was ihr fürchtet und auch wohl erlebt,
Wie's oben drohet, so es unten bebt.
CIRRUS
Doch immer höher steigt der edle Drang!
Erlösung ist ein himmlisch leichter Zwang.
Ein Aufgehäuftes, flockig löst sich's auf.
Wie Schäflein tripplend, leicht gekämmt zu Hauf.
So fließt zuletzt, was unten leicht entstand, Dem Vater oben still in Schoß und Hand.
NIMBUS
Nun laßt auch niederwärts, durch Erdgewalt Herabgezogen, was sich hoch geballt, In Donnerwettern wütend sich ergehn, Heerscharen gleich entrollen und verwehn! - Der Erde tätig-leidendes Geschick!
Doch mit dem Bilde hebet euren Blick:
Die Rede geht herab, denn sie beschreibt, Der Geist will aufwärts, wo er ewig bleibt.
Johann Wolfgang Goethe, 1821